Rhythmusgerät ist die Bezeichnung für erweiterte, spezialisierte Drumcomputer, wie sie vornehmlich in elektronischen Orgeln, Arranger Keyboards und Digital Ensembles zum Einsatz kommen. Sie sind dabei ausgelegt auf die Ansprüche von Alleinunterhaltern und weniger geeignet für die Musikproduktion oder für Live-Aufführungen elektronischer Musik.
Ein wesentliches Ausstattungsmerkmal der meisten internen Rhythmusgeräte ist die Begleitautomatik, die zusätzlich zu Schlagzeug und Percussion den Eindruck einer ganzen Begleitband erzeugt.
Ausstattung und Technik[]
Siehe auch den Drummachine-Artikel.
Externe und interne Rhythmusgeräte[]
Den Anfang des Rhythmusgeräts bildeten eigenständige Drummachines, die ab Ende der 50er Jahre als Schlagzeugersatz für Orgel, Klavier, Akkordeon oder dergleichen entwickelt wurden. Diese Geräte entwickelten sich über die 70er Jahre weiter. In den 80ern wurden aus ihnen zum einen presetlose, programmierbare Maschinen, zum anderen gingen sie dank MIDI in Expandern auf, die zusätzlich eine Klangerzeugung für melodisch spielbare Instrumentenklänge bekamen.
Schon früh wurden Drummachines von Alleinunterhaltern kombiniert mit elektronischen Orgeln, die von allen entertainergeeigneten Instrumenten damals die größte klangliche Vielfalt hatten und somit stilistisch am flexibelsten waren. Damit war der nächste konsequente Schritt, diese Rhythmusmaschinen fest in Orgeln einzubauen, vor allem in die zeitgleich populär werdende Heimorgel. Dies ermöglichte Verbindungen zum einen mit den Manualen und zum anderen mit der Klangerzeugung der Orgel und damit die Begleitautomatik.
Arranger Keyboards definieren sich insbesondere durch das Vorhandensein eines internen Rhythmusgeräts mit Begleitautomatik. Sie waren von Anfang an damit ausgestattet. Auch bei den jüngeren Digital Ensembles ist dies ein definierendes Attribut.
Erzeugung der Schlagzeugklänge[]
Bis Ende der 70er Jahre wurden die Schlagzeug- und Percussionklänge von Rhythmusgeräten analog erzeugt. Für jeden Klang kam eine eigenständige und sehr simple subtraktive Klangerzeugung zum Einsatz. Technischer Aufwand und Platzbedarf reduzierten die Zahl der verfügbaren Klänge, die ohnehin wenig naturgetreu klangen.
Ersatz für die rumpligen Analogklopfgeister kam mit den ersten samplebasierten Rhythmusgeräten, die zunächst den Orgeln gehobener Preisklassen vorbehalten waren. Platzbedarf und baulicher Bedarf sanken, und die Zahl der verfügbaren Klänge war einzig durch den – immer noch knappen und teuren – Speicher begrenzt und stieg des Realismus wegen merklich an; es gab schon früh ganze gesamplete Schlagzeuge und einiges an lateinamerikanischer Percussion. Schon Mitte der 80er standen Schlagzeugklänge in verschiedenen Varianten zur Verfügung, beispielsweise mit Besen gespielt oder Samples des seinerzeit sehr populären elektronischen Simmons SDS V.
Rhythmus-Presets und Variationen[]
Auch wenn der Alleinunterhalter sich mit viel Technik umgibt, so reizt er sie meistens nicht voll aus. Wichtiger als umfangreiche Programmiermöglichkeiten sind ihm die Fertigrhythmen, die schon die frühesten Drummachines hatten, und die mit der Zeit immer zahlreicher und aufwendiger wurden.
Anfang der 70er Jahre standen gerade bei Rhythmusgeräten, die fest in Orgeln eingebaut wurden, meistens nicht mehr als sechs oder acht Rhythmen zur Verfügung. Zehn Jahre später waren es häufig 16 und mehr. Die Zahl der zur Anwahl notwendigen Bedienelemente und der dafür verwendete Platz nahm mit der Zahl der Presets immer weiter zu, so daß man schon in den frühen 80ern das Prinzip von jeweils einem dedizierten Schalter pro Rhythmus verließ zugunsten einer matrixartigen Bedienung mit mehrfachbelegten Schaltern oder Tastern plus einem zur Wahl der Belegung.
Die Zahl der Rhythusfiguren wurde ebenfalls in der ersten Hälfte der 80er Jahre erstmals gesteigert durch sogenannte Variationen. Dieselbe Art von Rhythmus lag vor in zwei bis vier Variationen. Diese waren teilweise bis auf den einen oder anderen zusätzlichen Percussion-Klang identisch, teilweise ganz andere Figuren, auf die aber derselbe Rhythmusname zutraf.
Die Arranger Keyboards unterer Preisklassen hatten ab den späten 80ern zunehmend eine Rhythmusauswahl über Nummerntaster und eine auf dem Gehäuse aufgedruckte Liste von bis zu 100 Rhythmen, die nicht immer auch programmierbare Rhythmen einschlossen; die Klangauswahl erfolgte bei diesen Geräten genauso. Größere Modelle behielten ihre dedizierten benannten Taster, aber die Zahl der sich dahinter verbergenden Variationen oder gar eigenständigen Rhythmen erforderte zur Anwahl inzwischen textfähige Displays.
Programmierbarkeit[]
Die Computerisierung der Rhythmusgeräte brachte in den frühen 80er Jahren – meist in gehobenen Preisklassen – die Möglichkeit mit sich, zusätzlich zu den Presets eigene Rhythmen zu programmieren. Gegenüber den Anfängen bei eigenständigen Drummachines mußte natürlich das Bedienkonzept verändert werden, war doch der Eigenbau von Rhythmen gerade in Orgeln eine spezielle Zusatzfunktion, der nicht viel Platz für Bedienelemente eingeräumt wurde. Die Computerisierung und Verwendung von Tastern, die im Gegensatz zu elektromechanischen Schaltern Mehrfachbelegungen leichter machten, erleichterte auch dies.
Auch hier fand eine stetige Weiterentwicklung statt. Anfangs gab es nur einen oder wenige Speicherplätze, Variationen gab es nicht, die Begleitung war nicht programmierbar, sondern höchstens von einem Preset kopierbar, und der Austausch über externe Speichermedien war auch nicht möglich. Letztere entwickelten sich dann innerhalb weniger Jahre über die proprietären RAM-Cartridges einiger Hersteller hin zu handelsüblichen 5¼"-Floppys, und bis Ende der 80er Jahre waren eigene Rhythmen mit kompletter Begleitung, Fill Ins, Intros usw. und teilweise sogar Variationen erstellbar.
Heute stehen programmierbare Styles vom möglichen Umfang her den Presets häufig in nichts mehr nach. Das Selbstprogrammieren von Styles ist allerdings überwiegend dem Einsatz zugekaufter Styles von Drittanbietern gewichen.
Begleitautomatik[]
An der elektronischen Orgel ist es wie zu Zeiten separater Rhythmusgeräte heute noch üblich, die Begleitung mit Hand und Fuß selbst zu spielen und das Rhythmusgerät nur Drums und Percussion spielen zu lassen. Die Integration von Rhythmusgeräten in Orgeln machte aber schon in den 70ern die Entwicklung der Begleitautomatik möglich, die dem Musiker eine „virtuelle Begleitband“ zur Verfügung stellt.
Grundsätzlich stellt eine Begleitautomatik mit wenig Zutun des Musikers eine zum Rhythmus passende Baß- und Akkordbegleitung zur Verfügung. Der Musiker selbst hält dazu mit der linken Hand auf dem unteren Manual der Orgel (bzw. links auf der gesplitteten Tastatur eines Keyboards) einen Akkord, und die Begleitautomatik erzeugt daraus die Begleitung.
Die ersten Begleitautomatiken konnten tatsächlich kaum mehr als ein Orgelspieler. Die Akkordbegleitung wurde erzeugt, indem die Klangerzeugung des unteren Orgelmanuals rhythmisch mit den Tönen angeschlagen wurde, die man auf dem unteren Manual griff. Eine Akkordfläche im Hintergrund und eine rhythmische Akkordbegleitung waren somit nicht möglich. Der Baß wurde zunächst wiederum von einem modifizierten Arpeggiator erzeugt, der mangels Akkorderkennung meist nur zwischen der tiefsten und der höchsten (oder der ersten und dritten) gegriffenen Note hin- und hersprang; er war somit von der Umkehrung des gegriffenen Akkords abhängig. Hochwertigere Rhythmusgeräte hatten einen zusätzlichen Arpeggiator mit eigener Klangerzeugung, der teils nur erweiterte Auf-und-ab-Figuren spielte, später teils aber auch Spezialfiguren.
Mit dem Aufkommen der Akkorderkennung war es zunächst einmal erstmals möglich, den Baß tatsächlich unabhängig von der Umkehrung immer vom Grundton des Akkords aus spielen zu lassen.
Ab den 80ern wurden Begleitautomatiken immer mächtiger und konnten weitaus mehr als die Hände und Füße eines Orgelspielers. Sie wurden zu Sequenzern mit immer mehr Spuren, die nicht nur händisch in Echtzeit transponierbar waren, sondern ihre Sequenzen über die Akkorderkennung ähnlich wie ein klassischer Arpeggiator auch den gegriffenen Akkorden anpaßten. Bis auf den Baß bei Orgeln bekamen alle Begleitspuren eigene Klangerzeugungen mit immer realistischeren Klängen, die sich nicht mehr anhörten wie Orgelbegleitung, sondern deutlich mehr wie eine individuell zur Stilrichtung des gewählten Rhythmus passende Band.
Eine Entwicklung der 90er Jahre ist der Piano Mode: Dieser verzichtet auf das Splitten der Tastatur und dehnt die Akkorderkennung auf die gesamte Tastatur aus, so daß sie pianistisches Spiel beider Hände erkennen und verarbeiten kann.
Einige hochwertige Keyboards haben heute Begleitungen, die nicht klassisch im Sequenzer programmiert wurden, sondern zum Zweck noch größerer Realitätstreue von „echten“ Musikern eingespielt wurden und entweder als Sequenzen oder gar als nachbearbeitete Audioaufnahmen abgespielt werden.
Spezielle Funktionen einer Begleitautomatik:
Akkorderkennung[]
Die Akkorderkennung analysiert den gegriffenen Akkord und erkennt, um welchen Akkord es sich handelt, also den Grundton, ob es ein Dur- oder Mollakkord ist, ob es ein Septimakkord ist usw. Daran richtet sich dann die Begleitung aus, besonders der Baß, für den der Grundton essentiell ist. Viele Orgeln und Keyboards können außerdem den erkannten Akkord auf ihrem Display anzeigen.
Eine Akkorderkennung hat aber auch Grenzen, besonders dann, wenn ein gegriffener Akkord auf verschiedene Art interpretiert werden kann. Sextakkorde werden gern erkannt als Mollparallele mit Septime. Bei Augmented-Akkorden und verminderten Septimakkorden, die in allen Umkehrungen dieselben Intervalle haben und jeden ihrer Töne gleichermaßen als Grundton haben können, wird meist die tiefste gegriffene Note als Grundton angenommen. Überhaupt nicht korrekt erkennbar sind Akkorde, deren Grundton nicht gespielt wird.
Chord Memory[]
Chord Memory hält den gerade gespielten Akkord, nachdem man mit der linken Hand losgelassen hat. Das hat den Vorteil, daß die linke Hand dann für andere Dinge zur Verfügung steht, etwa zum Umschalten von Klängen oder Rhythmusvariationen oder zum Auslösen eines Fill In.
Ein-Finger-Automatik[]
Die Ein-Finger-Automatik ist eine weitere Vereinfachung des Orgel- oder Keyboardspiels und wurde von der Industrie entwickelt, damit Musikinteressierte einen noch schnelleren und leichteren Einstieg ins Orgel- bzw. Keyboardspiel finden. Man muß keine ganzen Akkorde mehr spielen können, denn für Durakkorde muß nur noch der jeweilige Grundton gedrückt werden. Moll- oder Septimakkorde erfordern eine zweite Taste, z. B. eine beliebige weiße unter dem Grundton für Mollakkorde und eine beliebige schwarze unter dem Grundton für Septimakkorde. Zu spezielleren Akkorden ist die Einfingerautomatik nicht in der Lage.
Intro, Fill In, Ending[]
Mit zunehmendem zur Verfügung stehendem Speicher und fortschreitender Computerisierung der Rhythmusgeräte wurden den Rhythmen Ergänzungsfiguren mitgegeben, die die Starre des gleichmäßig vor sich hinspielenden Rhythmusgeräts auflockern sollten. Den Anfang machten Fill Ins, die gewöhnlich nur einen Takt lang sind und z. B. ein Schlagzeugsolo auslösten, denn die ersten Fill Ins hatten keine passenden „Einwürfe“ für die Begleitklänge, dies kam erst später. Fill Ins werden nur einmalig gespielt, müssen also nicht händisch wieder abgestellt werden, sondern gehen von sich aus wieder zum normalen Rhythmus über.
Zunächst waren bei einigen Instrumenten Fill Ins auch als Intro nutzbar, konnten also sofort beim Start als erster Takt eingeworfen werden, ob sie dafür nun geeignet waren oder nicht. Schnell kamen aber spezialisierte eigenständige Intros auf, die von Anfang an auch mehrere Takte lang sein konnten.
Zuletzt kam als Gegenstück dazu das Ending, das als Schlußfigur für das Rhythmusarrangement dient und nach seinem Ablauf das Rhythmusgerät automatisch stoppt.
Heute sind pro Style unterschiedliche Intros, Fill Ins und Endings üblich, außerdem das selbsttätige Weiter- und Zurückschalten der Variation per Fill In.
One-Touch-Registrierung[]
Die Mitte der 80er Jahre aufgekommene One-Touch-Registrierung stellt passend zum gewählten Rhythmus die komplette Klangerzeugung des Instruments ein, womit dem Musiker einiges an Registrierarbeit abgenommen wird, gerade beim spontaner Auswahl eines Songs.
Hochwertige moderne Instrumente können per One-Touch-Registrierung komplett für spezifische Songs eingestellt werden, deren Titel in der Registrierungsliste angedeutet werden.
Rhythmusgeräte in anderen Instrumenten[]
Auch einige samplebasierte Synthesizer, Workstations unterer Preisklassen und Stagepianos haben als Dreingabe eingebaute Rhythmusgeräte. Diese sind allerdings sehr rudimentär und beschränken sich auf das Abspielen einer Auswahl fertiger Schlagzeug- und Percussionfiguren. Ihnen fehlen nicht nur Fill In/Intro/Ending, Begleitautomatik usw., sondern auch die meisten dedizierten Bedienelemente.